„Die Frauen werden eine entsetzliche Retraditionalisierung erfahren“, so fasst Prof. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung die Auswirkungen der Corona-Krise für Frauen* zusammen. „Ich glaube nicht, dass man das so einfach wieder aufholen kann und dass wir von daher bestimmt drei Jahrzehnte verlieren.“ Dabei ist schon die Ausgangslage nicht rosig: Auch 2020 wird ein Großteil der Care-Arbeit in unserer Gesellschaft von Frauen* erledigt. Historisch bedingt ist dieses Phänomen im Westen Deutschlands deutlich ausgeprägter als in den Ländern der ehemaligen DDR. Kinder erziehen, Angehörige pflegen, Haushalt machen – all das sind Aufgaben, die auch nach über 70 Jahren Grundgesetz meist noch in den Händen von Frauen* liegen. Sie arbeiten überdurchschnittlich häufig in unterdurchschnittlich bezahlten Berufen und werden selbst für gleiche Berufe meist schlechter bezahlt.
Auf den Ausbruch der Pandemie folgte nun ein Einbruch der Betreuungsangebote. Eltern, vor allem Alleinerziehende, standen plötzlich vor der Herausforderung, für die Betreuung ihrer Kinder weder auf Kitas noch auf Großeltern zurückgreifen zu können und diese Aufgabe nun mit ihrem Beruf unter einen Hut bekommen zu müssen – und überdurchschnittlich häufig landeten dabei die Kinder auf dem Schreibtisch der Frau*. Ohne Möglichkeiten, das Haus zu verlassen, besteht die Gefahr, dass Frauen* und Kinder zudem vermehrt Opfer häuslicher Gewalt werden. Und in schlecht bezahlten Berufen leiden sie besonders unter dem Kurzarbeiter:innengeld von 60% oder 67% ihres regulären Einkommens.
Dabei ist das Grundgesetz sehr eindeutig in seiner Vorgabe: „Männer[*] und Frauen[*] sind gleichberechtigt“, so beginnt sein Artikel 3 Absatz 2. Es ist ein Satz, für den nicht nur Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel 1948 und 1949 als Mitglieder des parlamentarischen Rates kämpften, sondern Frauen* in ganz Deutschland. Dennoch wissen wir nicht erst seit Corona, dass diese fünf Worte weniger eine Tatsache denn ein gesellschaftliches Ziel beschreiben. 1994 wurde ihnen deshalb ein zweiter Satz zur Seite gestellt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen[*] und Männern[*] und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Dieser Auftrag ist heute so dringend wie lange nicht mehr.
Corona zeigt uns, …
Anmerkung: Die Vorstellung, es gäbe zwei klar unterscheidbare Geschlechter, ist mittlerweile eindeutig widerlegt. Das sollte sich auch in der Sprache widerspiegeln. Es ist jedoch nicht möglich, auf Diskriminierungen, die sich aus diesem weiterhin weit verbreiteten binären Geschlechterbild ergeben, hinzuweisen, ohne mindestens sprachlich eben jene Vorstellungen zu replizieren, die gerade kritisiert werden. Um diesen Spagat deutlich zu machen, verwenden wir daher die Bezeichnungen „Frauen*“ und „Männer*“, um auf die Vielfalt der möglichen biologischen Geschlechtsidentitäten wie Gender hinzuweisen.