Wirtschaft & Arbeit

„Geschäfte […] sind grundsätzlich geschlossen“, hat in Sachsen das Sozialministerium am 20. März verfügt. Gleichzeitig wurden Veranstaltungen fast aller Art verboten und eine Ausgangssperre verhängt. Mit dramatischen Folgen: Restaurants, dem Einzelhandel, der freien Kunstszene – ihnen allen sind auf einen Schlag nahezu all ihre Einkünfte weggebrochen. Nur das Kurzarbeitergeld hat verhindert, dass die Arbeitslosenzahlen in Deutschland bislang nicht explodiert sind wie in den USA. Dennoch müssen viele Familien nun mit 67% eines Einkommens auskommen, das schon vorher vorne und hinten nicht gereicht hat – bei Menschen ohne Kinder sollen gar 60% genügen.

Seit mindestens zwei Jahrzehnten weht weltweit der kühle Wind des Neoliberalismus, herrscht das Primat von Angebot und Nachfrage ohne Berücksichtigung ökologischer, gesellschaftlicher und sozialer Folgekosten. Nicht nur viele junge Menschen stellen sich jetzt die Frage: Ist die Wirtschaft, die wir vor der Krise kannten, wirklich die, die wir mit viel Geld wiederaufbauen wollen, nachdem der Rauch sich gelegt hat?

Viele Betriebe wie Arbeitnehmer fürchten um ihre (berufliche) Existenz, der IWF spricht von der schwersten Rezession seit fast 100 Jahren. Allein der Freistaat Sachsen plant, sechs Milliarden Euro an Schulden aufzunehmen, um die schlimmsten Folgen für die Wirtschaft abzufedern und Steuerausfälle zu kompensieren. Das entspricht knapp 30% des gesamten Landeshaushalts 2019. Im Anblick dieser fantastischen Zahlen sind nicht nur Klimaaktivist:innen perplex, die schon seit Jahren Investitionen in eine nachhaltige Wirtschaft fordern. Auch Rufe nach einer Wirtschaftsordnung, die nicht auf kurzfristigen Profit um ewiges Wachstum ausgelegt sind, erhalten neuen Rückenwind.

Corona zeigt uns, …

…dass Investitionen in eine klimagerechte Wirtschaft nicht nur nötig, sondern auch möglich sind.

Weltweit haben vor allem junge Menschen erkannt, dass ein „weiter so“ von Konsum und Verbrauch nicht möglich ist. Seit über einem Jahr fordern sie unter anderem im Rahmen von „Fridays for Future“ Investitionen in eine klimaschonende Wirtschaft. Weder die Erkenntnis noch die Forderungen sind neu. Doch die Weigerung von Politik und Wirtschaft, wirklich entschlossen zu handeln um das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten und dafür auch signifikante Investitionen zu tätigen, hat mit dazu beigetragen, Kinder und Jugendliche von einer Politik zu entfremden, die aus ihrer Sicht nicht für sie gemacht wird.

Die Bundesregierung hat nun beschlossen, ein „Corona-Schutzschild für Deutschland“ aufzuspannen. Die Kosten: 353,3 Milliarden Euro, hinzu kommen 819,7 Milliarden Euro an Garantien, es werden 156 Milliarden Euro an Schulden aufgenommen. Während die meisten dieser Maßnahmen, die etwa der Pandemiebekämpfung, der Ausstattung von Krankenhäusern mit Schutzausrüstung und der sozialen Sicherung dienen, ohne Zweifel richtig sind, bleibt unverständlich, wieso ein derart konsequentes Handeln nicht auch im Kampf gegen den Klimawandel möglich sein soll.

Zum „Corona-Schutzschild für Deutschland“ gehören auch 600 Milliarden Euro an Kapitalmaßnahmen, Bürgschaften und Beteiligungen zur Refinanzierung von Krediten – Mittel, die überwiegend großen Unternehmen zu Gute kommen. Es kann jedoch nicht sein, dass, wie schon nach der Finanzkrise vor zehn Jahren, die Gemeinschaft für die Schäden aufkommt, die Unternehmen jedoch danach weitermachen wie bisher. 

Der Grundsatz „fördern und fordern“, mit dem seit zwanzig Jahren in der Sozialhilfe gegängelt wird, muss jetzt stattdessen bei Großunternehmen zum Tragen kommen: Wer die Hilfe der Gemeinschaft in Anspruch nimmt, muss seinen Beitrag leisten zur Bekämpfung des Klimawandels. So müssen sowohl die Aus- als auch die Rückzahlungskonditionen der Kredite, viel mehr aber noch die vermutlich folgenden Konjunkturprogramme, an die Einhaltung ökologischer, aber auch sozialer Standards gekoppelt werden. Grundlage hierfür könnte der Gemeinwohl-Index sein, oder aber eigene konkrete Kriterien. Forderungen etwa der Automobilindustrie, jetzt zunächst einmal Umweltauflagen zu lockern, muss dagegen entschieden entgegengetreten werden.

…dass der Markt eben doch nicht regelt und wir die Daseinsvorsorge nicht ökonomisieren dürfen.

Nicht nur beim Kampf gegen den Klimawandel zeigt sich ein Versagen des Marktes. Die Prämisse des Neoliberalismus, dass nämlich der Markt von selbst und zum Wohle aller ein Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage schaffe, ist selten vor den Augen der Weltöffentlichkeit so eindrücklich gescheitert wie beim Handel mit Schutzmasken. Da Prävention kostspielig ist, aber keine kurzfristigen Gewinne abwirft, sind ein sich vermeintlich selbst regulierender Markt und eine auf Profit ausgerichtete Wirtschaft weder auf einen unvorhergesehenen Schock wie eine Pandemie vorbereitet, noch in der Lage, ausreichend schnell nachzujustieren.

Das zeigt: Wir dürfen die Daseinsvorsorge nicht dem Markt überlassen! Privatisierungstrends, insbesondere in der Gesundheitsversorgung, waren ein Fehler und sind notfalls auch durch Verstaatlichung umzukehren – dass Verstaatlichungen ein legitimes Mittel zur Bekämpfung von Krisen sind, hat sogar CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier eingestanden. So wie das Bildungswesen ist auch die Gesundheit eine staatliche Aufgabe und gehört deshalb auch in staatliche Hand. Wir müssen als Gesellschaft bereit sein, in die Versorgung zu investieren, ohne darauf zu schielen, ob unterm Strich ein Plus steht.

Zudem müssen wir eine ernsthafte Diskussion führen über den Begriff der „systemrelevanten Unternehmen“. In Sachsen ist diese Kategorie im Zusammenhang mit der Kita-Notbetreuung weit diskutiert worden. Um jedoch für künftige Krisen gewappnet zu sein, müssen wir schon jetzt entscheiden: Wer ist besonders schutzbedürftig? Diese Unternehmen müssen in Krisen besonders geschützt werden, aber auch besondere Voraussetzungen erfüllen. Wer systemrelevante Aufgaben erfüllt, darf nicht mit Niedriglohn und schlechten Arbeitsbedingungen abgespeist werden. Hier muss mindestens der doppelte Mindestlohn gezahlt werden, und die Arbeit muss einen Rahmen setzen, der in ruhigen Zeiten erlaubt, sich für und von Krisen zu erholen.

Durch all diese Maßnahmen würden diese bis heute überwiegend von Frauen ausgeübten Berufe, die oftmals unterbezahlt und unterbesetzt sind, aufgewertet. Personalmangel in systemrelevanten Berufen können wir uns in Krisenzeiten nicht leisten, da das auf Kosten von Psyche und Physis des vorhandenen Personals geht.

…dass unsere soziale Marktwirtschaft so sozial nicht ist.

Aber auch alle Menschen, die nicht in diesen Feldern arbeiten, müssen auf gute Arbeit und einen Sozialstaat in der Not zählen können. In der Pandemie hat sich gezeigt, dass nicht der schlanke Staat stark ist, sondern der, dessen Sozialsystem auf soliden Füßen steht. Kurzarbeitergeld und die vorübergehende Umstellung von Hartz IV zu einem nahezu bedingungslosen Grundeinkommen konnten in Deutschland die schlimmsten Folgen für Arbeitnehmer:innen auffangen.

Doch 67% oder sogar 60% von wenig sind fast nichts – wer im Niedriglohnsektor auf Kurzarbeit gesetzt wird, hat am Ende des Geldes meist noch sehr viel Monat übrig. Die Erhöhung auf 87% bzw. 80% ab dem siebten Monat ist ein guter Schritt, reicht aber kaum aus für Menschen, die nur oder fast nur Mindestlohn verdienen. Sie haben selten die nötigen Rücklagen, um das halbe Jahr zu überbrücken, deswegen muss das erhöhte Kurzarbeitergeld für sie ab dem ersten Tag gelten. Gleichzeitig müssen wir den Mindestlohn anheben: auf ein Niveau, das krisenfest ist und zu einer Rente über dem Niveau der Altersgrundsicherung führt. Als Richtlinie gelten hier kurzfristig 12 Euro. Mittelfristig muss die Berechnungsgrundlage angepasst werden, die die Mindestlohnkommission für ihre Empfehlungen nutzt. Und das Sozialstaatskonzept der SPD schnellstmöglich Realität werden – insbesondere die Kindergrundsicherung und die Streichung aller Hartz-IV-Sanktionen müssen wir sofort umsetzen.

Wir müssen Unternehmen dazu verpflichten, anstelle hoher Dividendenausschüttungen und Managerboni jedes Jahr mindestens 1% des Reingewinns als Krisenrücklage zu hinterlegen, um auch in kürzeren Phasen von Umsatzeinbußen die Löhne ihrer Angestellten ohne Staatshilfen voll fortzahlen zu können. Auch muss der Freistaat Sachsen endlich ein Vergabegesetz einführen, dass neben dem Preis auch soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt, und so als öffentliche Hand seine Vorbildrolle annehmen. Nicht mehr das billigste Angebot soll gewinnen, sondern das, dass am besten für alle Beteiligten ist: für die Arbeitnehmer:innen, die Gesellschaft und unsere Umwelt.

…dass Amazon kein Ausgleich für den Laden um die Ecke ist.

Die Realität zeigt: Faire Arbeitsbedingungen gibt es nur mit starken Gewerkschaften und konsequenter innerbetrieblicher Mitbestimmung; und niedrige Löhne gehen oft Hand in Hand mit niedriger Tarifbindung. Deshalb müssen wir die Bedingungen erleichtern, unter denen Tarifverträge für allgemeingültig erklärt werden können. Ein effektives Arbeitgeber:innen-Veto, wie es heute Realität ist, ist nicht zeitgemäß. Wir müssen die Rechte der Belegschaft auf innerbetriebliche Partizipation stärken. 

Seit die Geschäfte geschlossen haben und wir alle noch mehr im Internet einkaufen als zuvor, gehört Amazon zu den Profiteur:innen der Krise. Was die Rechte der Belegschaft angeht ist das Unternehmen jedoch wahrlich kein Vorbild, denn sein Angestellten arbeiten unter schlechten Arbeitsbedingungen und zu niedrigen Löhnen. Unter der Zunahme des Versandhandels leiden aber auch die Paketträger:innen, die unter stetig wachsendem Zeitdruck arbeiten und jetzt auch an Sonntag anpacken sollen, und die Umwelt, der der Versand und die Verpackungen zusetzen. 

Vor allem merken wir jetzt, was es bedeutet, wenn die Geschäfte in den Innenstädten geschlossen sind. Um nach der Epidemie wieder zurückzukehren zu lebendigen Innenstädten, müssen wir alle dort wieder vermehrt einkaufen gehen. Um dem Versandhandel keinen ungerechten Vorteil zu verschaffen, müssen wir endlich auch Unternehmen wie Amazon konsequent besteuern, denn sie haben ihren Beitrag zur Gemeinschaft genauso zu bezahlen wie der Laden um die Ecke. Gleichzeitig müssen wir auch bei diesen Großunternehmen Arbeitnehmer:innen-Rechte stärker kontrollieren und die Gründundungen von Betriebsräten weiter erleichtern, indem wir gegen Unionbusting härter vorgehen.

…dass sich von der schwarzen Null keine Schulen bauen lassen und wir stattdessen eine gerechtere Steuerpolitik brauchen.

Für die Staatshilfen, die Unternehmen nun bekommen, kommen wir alle als Gemeinschaft auf. Sie werden jetzt aus Steuermitteln finanziert, die in den kommenden Jahren fehlen werden für Investitionen in Schulen, Kitas, Straßenbau, Kulturförderung und alle anderen Bereiche, die auf die Finanzierung durch den Staat angewiesen sind. Wir dürfen jedoch die Fehler nicht wiederholen, die wir seit Jahrzehnten machen: Bei nötigen Investitionen ist ein gesparter Euro oftmals Jahre später mit Zinsen nachzuzahlen. Wir dürfen nicht zulassen, dass dem Staat die Gliedmaßen absterben beim Versuch, den Gürtel enger zu schnallen. Stattdessen müssen wir zu einer gerechteren Steuerpolitik kommen. Erbschaften müssen stärker besteuert werden, damit weder Reichtum noch Armut von den Eltern geerbt werden, und Kapitaleinkünfte müssen mindestens ebenso hoch besteuert werden wie Einkünfte aus Erwerbsarbeit.

Die Schuldenbremse der Sächsische Verfassung sieht eine Schuldentilgung innerhalb von acht Jahren vor. Um die Rückzahlungen der sächsischen Corona-Schulden zu gewährleisten, müsste Sachsen jährlich Schulden in der Größenordnung von einer Milliarde Euro zurückzahlen. Bei einem Landeshaushalt von insgesamt ca. 20 Milliarden Euro ist offensichtlich, dass das unmöglich ist. Deshalb muss die Verfassung geändert werden, um die Schuldenbremse ganz zu streichen, oder mindestens eine Rückzahlung über einen Zeitraum von mindestens dreißig Jahren zu ermöglichen.

Wir dürfen in Zukunft nicht derart unvorbereitet in eine Pandemie schlittern. Wir müssen für die Zukunft in strategische Reserven wie Schutzbekleidung, wichtige Güter und unabdingbare Ressourcen investieren. Und wir müssen Wege finden, auch die Kommunen in ihrer finanziellen Notlage zu unterstützen. Sie tragen die unmittelbaren Kosten für Kitas, Schulen, ÖPNV, Schwimmbäder und Bibliotheken. Auch Ihnen drohen nun massive Steuerausfälle, die Sie nicht allein werden stemmen können und sollen.

…dass wir uns Reformen des Arbeitslebens bislang schlicht aus Bequemlichkeit verweigert haben.

Es gibt wenige Bereiche, bei denen in den letzten Wochen ein ähnlich schneller Wandel so konsequent und überwiegend erfolgreich umgesetzt wurde wie beim Thema „Homeoffice“. Seit Jahren halten viele Unternehmen starr fest an der 40-Stunden-Woche, die in Präsenzarbeit im Büro abzusitzen ist. Heimarbeit: Fehlanzeige. Gleitzeit: Fehlanzeige. Stundenreduktion: Fehlanzeige.

Nun, wo ein Aufrechterhalten der Arbeit anders nicht möglich ist, zeigt sich plötzlich: Es geht doch! Es gibt nun keinen Grund mehr dagegen, einen Rechtsanspruch auf Heimarbeit überall dort einzuführen, wo es nicht nachweisbar unmöglich ist. Dabei muss jedoch unbedingt darauf geachtet werden, dass Arbeitnehmer:innen von der hinzugewonnen Flexibilität profitieren können, ohne unter dem Druck des ständigen Erreichbarseins zu leiden. Es ist zwingend notwendig, dass der Beschluss des Europäischen Gerichtshofs zur verpflichtenden Zeiterfassung umgesetzt und seine Einhaltung kontrolliert werden. Dienstliche und private Kommunikationskanäle müssen streng getrennt werden, und ein automatisches Abschalten etwa von dienstlichen E-Mail-Konten bei Dienstende muss diskutiert werden.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist in den vergangenen Wochen der Schul- und Kita-Schließungen eines der präsentesten Themen gewesen. Dabei gerät in Vergessenheit, dass die Betreuung von Kindern für Alleinerziehende und Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind, schon vor Corona kaum mit einer 40-Stunden-Woche vereinbar war. Die Hauptlast dieser Care-Arbeit trugen vor und tragen während der Epidemie Frauen. Um allen Eltern auch in Zukunft mehr Flexibilität zu gewähren, müssen wir wo immer möglich einen Rechtsanspruch auf Gleitzeit einführen, sowie branchenübergreifend die 35-Stunden-Woche bei gleichem Lohn als Regelarbeitszeit durchsetzen.

…dass wir die Kosten der Globalisierung nicht auf den ewiggleichen Schultern abladen dürfen.

Wir werden jedoch langfristig vor allem zwei Fragen beantworten müssen: An wem bleiben die Kosten der Krise hängen – und wer profitiert von ihr? Zu letzterer Gruppe gehört etwa Bill Ackman, ein Hedgefonds-Manager, über den berichtet wird, er habe mit geschicktem Derivatehandel 2,6 Milliarden Dollar verdient. Solche Wetten auf Kursstürze sind rücksichtslose Zockerei an der Börse und moralisch nicht zu rechtfertigen. Das ist eine Lehre, die wir vermeintlich schon aus der Finanzkrise von 2008 gezogen haben. Doch Corona zeigt uns erneut: Wir müssen den Derivatehandel konsequent regulieren und eindämmen, eine Finanztransaktionssteuer einführen und Leerverkäufe verbieten.

Innerhalb Europas sind am schwersten bislang viele der Länder betroffen, die auch schon vorher finanziell gebeutelt waren: Länder, die durch die letzte Finanzkrise stark gelitten haben und in eine strenge Sparpolitik gezwungen wurden, und die durch ihre europäischen Nachbarländer seit Jahren bei der Aufnahme Flüchtender im Stich gelassen werden. Insbesondere Italien braucht tatkräftige Unterstützung bei der Bewältigung der Pandemie, und wird im Anschluss daran Unterstützung beim Wiederaufbau brauchen. Wem ein starkes Europa am Herzen liegt, der muss jetzt europäische Solidarität leben und bereit sein, Probleme gemeinsam zu schultern, zum Beispiel durch die Aufnahme von europäischen Staatsanleihen: kurzfristigen Coronabonds und langfristigen Eurobonds. 

Aber auch über die Grenzen Europas hinaus werden wir auch in der Krise Solidarität leben müssen. Die Pandemie wird auch in den Ländern des globalen Südens wüten, deren Gesundheitsversorgung oftmals auf solch eine Belastung schlechter vorbereitet ist als unsere. Social Distancing ist in den Armenvierteln vieler ihrer Metropolen nicht umzusetzen, Maßnahmen wie Kurzarbeit, Kündigungsschutz und Arbeitslosenversicherungen gibt es schlicht nicht oder nur unzureichend. In vielen Ländern sind daher Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. 

Um diesen Staaten ein eigenständiges Handeln zu ermöglichen, müssen sie durch Schuldenschnitte von der sie erdrückenden Schuldenlast befreit werden. Dieser Schritt ist jedoch nur nachhaltig, wenn insbesondere Staaten wie Deutschland ihre wirtschaftliche und politische Stärke nicht mehr dazu nutzen, die globale Wirtschaftsordnung auf die Maximierung ihres eigenen Profits auszurichten und stattdessen auch auf globaler Ebene Solidarität leben. 

…dass wir die Maxime des Wirtschaftswachstums hinterfragen müssen.

All diese Dinge zeigen uns: Wir können nach Corona nicht einfach so weitermachen wie bisher. Wir dürfen nicht schlicht die Wirtschaft wiederaufbauen, von der zuvor einige wenige profitiert und unter der Milliarden andere gelitten haben. Wir müssen die Maxime des Wachstums hinterfragen und den Übergang zu einer gerechten Wirtschaftsordnung finden. Eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Emissionen, Ressourcen- und Landverbrauch ist nicht möglich. 

Mehr Wachstum wird immer auch zu höheren Emissionen und einem wachsenden Ressourcenverbrauch führen. Deshalb kann das 1,5 Grad-Ziel nur durch ein Weniger anstelle eines Immermehrs erreicht werden. Das gilt insbesondere aus der Sicht einer globalen Klimagerechtigkeit: Selbst wenn wir nur ein 2 Grad-Ziel einhalten wollten, müssten wir, um weltweit allen Menschen den beschaulichen Wohlstand von 3 – 8$ am Tag zu ermöglichen, allein dafür 66% des uns verbliebenen verfügbaren CO2-Emissionsbudgets aufwenden – weshalb wir in den Ländern des Globalen Nordens noch mehr Emissionen einsparen müssen, um Armut weltweit bekämpfen zu können.

Das geht einher mit einer stärkeren Regionalisierung der Wirtschaft, insbesondere der Versorgung mit landwirtschaftlichen Gütern. Nicht nur entfallen dadurch der klimaschädliche Transport und die negativen Auswirkungen, die etwa die Ausrichtung von Landwirtschaften des Globalen Südens auf die Gelüste der Konsument:innen des Globalen Nordens mit sich bringt. Dadurch wäre auch die Lebensmittelversorgung in Krisenzeiten unabhängiger von Fragen wie den Quarantäneregelungen für ausländische LKW-Fahrer.

Das Papier #coronazeigtuns: Wirtschaft & Arbeit gibt es hier als PDF-Datei zum Herunterladen.