Die Geschichte unserer Gesellschaft wird seit mindestens 300 Jahren vom Kampf um Freiheitsrechte gezeichnet. Diese mussten den jeweils Herrschenden abgerungen werden und waren immer wieder aufs Neue gefährdet. Daher stehen die Grundrechte im Grundgesetz an derart prominenter Stelle: Ihnen widmen sich die Artikel 1-20. In diese Grundrechte kann eingegriffen werden. Das ist völlig normal und vom Grundgesetz explizit vorgesehen – die Eingriffe müssen nur verhältnismäßig sein. Corona zwingt uns nun, diese Grundrechte so kurzfristig und in einer solchen Tiefe einzuschränken wie nie zuvor. Flüchtigkeitsfehler und Überreaktionen sind vorprogrammiert, Wachsamkeit ist geboten.
Insbesondere die Versammlungsfreiheit gilt nur noch eingeschränkt, denn die Unvereinbarkeit einer Großdemonstration mit dem Ziel, Kontakte weitestgehend zu vermeiden, ist offenkundig. Auch das Recht auf Freizügigkeit war in Sachsen vorübergehend eingeschränkt, als es untersagt war, das Haus ohne Vorliegen eines „triftigen Grundes“ zu verlassen. Und während in Deutschland an alle Menschen appelliert wird, Mindestabstände einzuhalten, wird das Flüchtlingslager Moria zum Sinnbild dafür, dass an den europäischen Grenzen Menschen genau daran gehindert werden und das Grundrecht auf Asyl effektiv ausgesetzt ist.
Auch für die Durchführung von Wahlen, dem entscheidenden Baustein breiter demokratischer Partizipation, müssen Lösungen gefunden werden. Anstehende Kommunalwahlen sind schon jetzt verschoben worden, und es ist offen, wie ein Wahlkampf in diesen Zeiten aussehen kann. Nach einer anfänglich großen Akzeptanz für die meisten Maßnahmen ist inzwischen eine breite Diskussion darüber entbrannt, welche Rolle Grundrechte in unserer Demokratie spielen und wer sie unter welchen Umständen wie stark einschränken darf.